OLG Karlsruhe; Beschl. v, 28.09.2018; Az.: 15 W 57/18
Leitsätze
Für die Entscheidung nach § 8a Abs. 4 JVEG kommt es nicht darauf an, ob eine Partei von ihrem Beweisantritt im Falle der Kenntnis von den durch die Begutachtung entstehenden Kosten Abstand genommen hätte.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 05.04.2018, Az. 10 O 605/11, abgeändert. Die Vergütung des Sachverständigen B. für seine Gutachtertätigkeit wird auf insgesamt 2.898,28 Euro festgesetzt. Der weitergehende Vergütungsantrag des Sachverständigen wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde der Beklagten zu 3 wird als unzulässig verworfen.
3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1 Der Sachverständige Diplom-Ingenieur B. wurde durch Beschluss vom 27. September 2013 in Verbindung mit dem Beschluss vom 27. März 2013 beauftragt, ein Gutachten zur Lage einer Stützmauer zu erstatten. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2013 teilte der Sachverständige mit, dass der vorgegebene Kostenvorschuss voraussichtlich eingehalten werden könne. Der Sachverständige stellte nach Erstattung seines Gutachtens am 17. Januar 2014 eine Rechnung über 4.060,32 Euro (AS. 709). Er wies auf die Überschreitung des Auslagenvorschusses hin und teilte mit, zwar übersteige die Abrechnung den Kostenvorschuss wesentlich; dies sei aber erst während der Einsichtnahmen und Messungen vor Ort deutlich geworden; er habe das Gericht deshalb nicht mehr rechtzeitig darauf hinweisen können, da ein Abbruch und die Wiederaufnahme wesentlich teurer gekommen wären (AS. 707). An den Sachverständigen wurde die von ihm in Rechnung gestellte Vergütung ausgezahlt (AS. 713).
2 Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens hat die Beklagte zu 3 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Rechtsmittel eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Kostenrechnungen der Sachverständigen Dr. F. und B. würden jeweils die erforderlichen Auslagenvorschüsse übersteigen. Der Bezirksrevisor gab eine Stellungnahme ab und wies darauf hin, dass der Sachverständige B. durch die Geschäftsstelle zur Rückzahlung des Betrags von 2.060,23 Euro aufzufordern sei (AS. 1029). Der Sachverständige wurde am 1. Dezember 2018 zur Rückzahlung dieses Betrages aufgefordert.
3 Der Sachverständige legte gegen die Rückzahlungsaufforderung mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 „Widerspruch“ ein (AS. 1067 f.). Er hat vorgetragen, die Messungen am Objekt seien wesentlich schwieriger und umfangreicher gewesen, als nach dem Aktenstudium zu vermuten gewesen sei. Am Ende der örtlichen Vermessung sei der Kostenrahmen erheblich überschritten gewesen; ein rechtzeitiger Hinweis an das Gericht sei zu dieser Zeit nicht mehr möglich gewesen. Ein Abbruch der Vermessungen wäre nicht sinnvoll gewesen, da mit den bis dahin erbrachten Messungen keine Beurteilung des streitgegenständlichen Sachverhalts möglich gewesen wäre. Der Bezirksrevisor gab eine Stellungnahme ab (AS. 1077 ff.).
4 Das Landgericht hat durch Beschluss vom 5. April 2018 die dem Sachverständigen B. zu gewährende Entschädigung auf 4.060,32 Euro festgesetzt. Das Schreiben des Sachverständigen vom 22. Dezember 2017 sei als Antrag auf gerichtliche Festsetzung nach § 4 JVEG auszulegen. Eine Rückforderung des über den Auslagenvorschuss hinausgehenden Betrags in Höhe von 2.060,32 Euro scheide im konkreten Fall aus, weil das Gericht aufgrund des weiteren Verfahrenslaufs davon überzeugt sei, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige des Sachverständigen nach § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO zu einer Fortsetzung der Tätigkeit des Sachverständigen gekommen wäre. Das Gericht folge der Ansicht, dass eine für die Parteien erhebliche Überschreitung des Kostenvorschusses nur angenommen werden könne, wenn die rechtzeitige Anzeige des Sachverständigen zu einem Abbruch oder einer Einschränkung des Gutachtenauftrags geführt hätte. Hier ergebe sich aus dem Verhalten der Parteien, dass eine Begutachtung durch den Sachverständigen B. fortgesetzt worden wäre; denn nach Eingang des Gutachtens des Sachverständigen B. habe der Kläger noch weitere Auslagenvorschüsse für die Begutachtung durch andere Sachverständige in Höhe von 4.900,00 Euro geleistet.
5 Mit Schreiben vom 10. April 2018 hat die Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts vom 5. April 2018 Beschwerde eingelegt. Darauf, dass die Parteien auch bei Kenntnis der tatsächlichen Kosten des Gutachtens vom 17. Januar 2014 die Begutachtung uneingeschränkt fortgesetzt hätten, wovon auch die Staatskasse ausgehe, komme es nach dem Inkrafttreten des § 8a JVEG nicht mehr an. Nach der herrschenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur, der sich die Staatskasse anschließe, nach der Gesetzesbegründung und nach dem Wortlaut des § 8a Abs. 4 JVEG komme es allein darauf an, dass der Sachverständige schuldhaft die erhebliche Überschreitung des Auslagenvorschusses nicht angezeigt habe.
6 Das Landgericht hat durch Beschluss vom 2. Mai 2018 der Beschwerde nicht abgeholfen und sich zur Begründung auf die Rechtsansicht des 13. Senats des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss vom 10. April 2017 - 13 W 25/17 - Rn. 13, juris) berufen.
7 Auch die Beklagte D. hat mit Schriftsatz vom 17. Mai 2018 Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 5. April 2018 eingelegt.
II.
8 1. Die Beschwerde der Staatskasse ist nach § 4 Abs. 3 JVEG zulässig; sie hat auch in der Sache teilweise Erfolg.
9 a) Der Vergütungsanspruch des Sachverständigen besteht gemäß § 8a Abs. 4 JVEG in Höhe von 2.898,28 Euro.
10 Nach dieser Vorschrift erhält der Sachverständige eine Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und der Berechtigte nicht rechtzeitig nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO auf diesen Umstand hingewiesen hat, es sei denn, der Sachverständige hat die Verletzung der ihm obliegenden Hinweispflicht nicht zu vertreten. Hier hat der Sachverständige ohne sein Verschulden den Auslagenvorschuss um 898,28 Euro überschritten, so dass eine Vergütung von 2.898,28 Euro festzusetzen ist.
11 Auf die Überschreitung des Auslagenvorschusses hat der Sachverständige nicht rechtzeitig hingewiesen und damit gegen seine Mitteilungspflicht nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO verstoßen. Der Sachverständige hat jedoch die Verletzung der Hinweispflicht nach § 8a Abs. 5 JVEG nicht zu vertreten, soweit er eine Vergütung von 2.898,28 Euro begehrt. Der Sachverständige hat geltend gemacht, erst während der Einsichtnahmen und Messungen vor Ort sei deutlich geworden, dass der Auslagenvorschuss wesentlich überschritten werde; deshalb habe er nicht mehr rechtzeitig auf die Überschreitung des Auslagenvorschusses hinweisen können, weil der Abbruch und die Wiederaufnahme der Messungen vor Ort wesentlich teurer gekommen wären. Am Ende seiner Messung habe er neben den bereits geleisteten zwanzig Stunden Arbeit und den bereits verauslagten Nebenkosten in Höhe von 125,53 Euro netto noch zwei Stunden „Vorauswertung der Daten bis zur Übernahmemöglichkeit in die C.-Software“ aufwenden müssen (vgl. AS.. 2039), so dass er zu diesem Zeitpunkt - vor der Ausarbeitung der Messdaten und Erstellung des Gutachtens, die weitere acht Stunden in Anspruch genommen hätten, - den Auslagenvorschuss schon erheblich, nämlich um mehr als 40 %, überschritten gehabt habe. Zu diesem Zeitpunkt war der Vorschuss um 898,28 Euro überschritten. Der Sachverständige hatte bereits 22 Stunden einschließlich der zwei Stunden für die Vorauswertung der Daten bis zur Übernahmemöglichkeit in die C.-Software erbracht sowie Nebenkosten in Höhe von 125,53 Euro verauslagt. Dies ergibt eine Vergütung von insgesamt 2.898,28 Euro einschließlich Umsatzsteuer (22 x 105 Euro + 125,53 Euro + 462,75 Umsatzsteuer).
12 b) Dem Sachverständigen steht eine über 2.898,20 Euro hinausgehende Vergütung nicht zu, da er insoweit seine Hinweispflicht nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO verletzt hat. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass der Sachverständige erst am Ende der Messung aufgrund der außergewöhnlichen Umstände vor Ort erkennen konnte, dass der Auslagenvorschuss schon erheblich überschritten war und deshalb bis zu diesem Zeitpunkt kein Verschulden vorlag, hätte er spätestens nach dem 23. Oktober 2013, also nach dem örtlichen Aufmaß, das Gericht darauf hinweisen müssen, dass der Auslagenvorschuss erheblich überschritten wird. Der Sachverständige kannte die Verpflichtung, auf eine sich im Laufe der Begutachtung herausstellende Überschreitung des Vorschusses hinzuweisen. Er durfte die Begutachtung nicht vor Einzahlung eines weiteren Vorschusses fortsetzen, auch wenn er vorher ohne Verschulden den Auslagenvorschuss schon um mehr als 40 % überschritten hatte.
13 Nach § 8a Abs. 4 JVEG kommt es nicht darauf an, ob eine Partei von ihrem Beweisantritt im Falle der Kenntnis von den durch die Begutachtung entstehenden Kosten Abstand genommen hätte. Die frühere Rechtsprechung, nach der die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterblieb, wenn davon auszugehen war, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre, ist durch die gesetzliche Neuregelung des § 8a Abs. 4 JVEG überholt (OLG Hamm, Beschluss vom 08.05.2015, - 12 U 62/14 -, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.07.2017 - 10 W 376/17 -, zitiert nach juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 24.02.2017 - 5 W 15/17 -, zitiert nach juris; Zöller/Greger, ZPO 32. Auflage, § 413 Rn. 8; Hartmann, Kostengesetze, 48. Auflage, § 8a JVEG Rn. 64; a.A. nur OLG OLG Dresden, Beschluss vom 26.09.2014 - 3 W 980/14, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.04.2017 - 13 W 25/17 - , zitiert nach juris). In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/11471 (neu), S. 260) heißt es hierzu: "Wenn die Vergütung einen geforderten Vorschuss erheblich übersteigt, soll sie mit dem Betrag des Vorschusses gekappt werden". Auch besteht nicht mehr die Möglichkeit, von der Partei einen die bereits entstandenen Mehrkosten deckenden Vorschuss nachzufordern. Zwar mag es unbillig erscheinen, dem Sachverständigen einen Teil seiner Vergütung auch dann zu versagen, wenn sich seine Hinweispflichtverletzung auf die letztlich entstandenen Kosten nicht kausal ausgewirkt hat. Jedoch lässt der klare und eindeutige Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung insoweit keinen Spielraum für eine einschränkende Auslegung (OLG Hamm, a.a.O., juris Tz. 23 sowie OLG Hamm, Beschluss vom 8.05.2015 - 12 U 62/14 -, zitiert nach juris Rn. 7; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.06.2016 - 10 W 77/16 -, zitiert nach juris, Rn. 3).
14 2. Die Beschwerde der Beklagten D. ist unzulässig.
15 Die Parteien des Ausgangsverfahrens sind an dem Verfahren der Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen gemäß § 4 JVEG nicht beteiligt und haben daher auch kein Beschwerderecht (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 24.10.2011, 10 W 47/11, BeckRS 2012, 02508; Meyer/Höver/Bach/Oberlack/Jahnke, JVEG 27. Auflg. 2018, § 4 JVEG Rn. 16; BDPZ/Binz, JVEG, 3. Auflg. 2014, § 4 Rn. 19). Die Parteien des Ausgangsverfahrens können eine Überprüfung der Vergütung des Sachverständigen nicht im Verfahren nach § 4 JVEG, sondern nur im Rahmen der Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 66 GKG erreichen (OLG Naumburg, a.a.O.; Meyer/Höver/Bach/Oberlack/Jahnke, a.a.O., Rn. 7; Hartmann, Kostengesetze, 47. Auflg, 2017, § 4 JVEG Rn. 23). Der Beschluss gemäß § 4 Abs. 1 JVEG wirkt nur im Verhältnis der Staatskasse (vertreten durch den grundsätzlich zu beteiligenden Bezirksrevisor) zu dem Sachverständigen und nicht gegenüber dem Kostenschuldner, § 4 Abs. 9 JVEG (vgl. BGH, Beschluss vom 07.09.2011, VII ZB 22/10 in NJW-RR 2012, 311).
16 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.